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Meine Eltern haben mich vor einiger Zeit gezwungen die Schachnovelle zu lesen. Seitdem bin ich der Meinung, Schach sei etwas Superschweres und nur totale Streber wären dazu
auserkoren es zu spielen. (Für alle die das Buch nicht gelesen haben: Es geht um einen Mann der ohne jede Verbindung zur Außenwelt gefangen gehalten wird und nichts weiter hat außer einem
Schachratgeber, einer karierten Decke und dem Brot, dass er jeden Tag zum Essen bekommt. Er fängt an mit den Brotkrumen auf der Decke gegen sich selbst Schach zu spielen und wird
Schizophren: Also verrückt, da er glaubt, zwei verschiedene Personen auf einmal zu sein.)
Dennoch war ich fest entschlossen, meinen Horizont um beeindruckend umfassende Schachkenntnisse zu erweitern. Also fuhr ich am dritten August um zwei ins alte Rathaus und setzte mich auf einen
der noch freien Plätze in dem kahlen, weißen Raum, der aussah wie eine Zelle in der Psychiatrie und nach billigem Putzmittel roch, um an einem dreitägigen Schachkurs teilzunehmen. Die Kinder
um mich herum waren alle höchstens sieben Jahre alt. Der Schachlehrer entpuppte sich als alter Mann mit weißen Haaren und einer Brille, was ihm eigentlich eine Dumbledore-Aura verschafft hätte,
wäre seine Stimme nicht noch zwei Stockwerke unter uns zu hören gewesen. Er stellte eine Magnettafel mit Schachfeldkennzeichnung auf eine Kommode, sodass wir sie alle gut sehen konnten und klebte
eine eindimensionale Schachfigur nach der anderen darauf, wobei er jedes Attribut aufführte und zeigte, wie und in welchem Kontext sie eine andere Figur schlagen konnte. Seine beiden Assistenten
(ein etwa fünfzehnjähriger Junge mit Brille und ein kleines Mädchen; vermutlich seine Enkel) zeigten es uns dann immer noch mal auf den Schachbrettern vor uns, die wir uns zu zweit teilten.
Nach zwei Figuren war mir schon die Hälfte der Informationen mit denen wir bombardiert wurden entfallen, ich musste dank dem Putzmittel ununterbrochen nießen und bevor wir beim Turm angelangt waren,
konnte ich mich nur noch an ein Viertel der genannten Dinge erinnern. Nach fünfunddreißig Minuten waren wir mit den Erklärungen zu den einzelnen Figuren durch und versuchten gegeneinander Schach zu
spielen. Vergeblich. Die Kinder um mich herum wirkten, mit Ausnahme eines Mädchens mit asymmetrischen Zöpfen und einer Brille deren Finger nie runter kam und die geradezu um die Aufmerksamkeit des
Mannes bettelte (Streberin!), alle so als wären sie im Tiefschlaf und hätten es irgendwie geschafft, die Augen offen zu halten.
Nach einer dreiviertel Stunde machten wir eine Pause, und während die anderen ihre Brotzeitboxen hervorholten, schnappte ich mir meine Tasche und verließ, mit der Entschuldigung, ich müsse noch zum
Zahnarzt, den Raum und rannte zum Fahrstuhl.
Entweder ich bin nicht intelligent genug oder es war einfach nicht mein Tag, jedenfalls war das mein letzter Versuch, in diesem Leben, Schach zu lernen.
Euer Reporterkind Stephanie, 13 Jahre (und bis heute keine Ahnung von Schach)
Witz:
Ein Vertreter klingelt an der Tür. Fritzchen öffnet, im Mund eine dicke Zigarre und in der Hand ein Glas Whisky.
Irritiert fragt der Vertreter: "Sind deine Eltern da?"
Grinst Fritzchen zurück: "Sieht das etwa so aus?"
Holidix-Express 2011, Seite 05, <<< Artikel davor <<< >>> nächster Artikel >>>
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